In Schweden wird seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts in der gesamten Gesellschaft geduzt. Seit Abschaffung der bis dahin üblichen förmlichen Anrede spricht man sich mit dem Vornamen an, es sei denn man spricht mit dem schwedischen König. IKEA hat es vor vielen Jahren in die hiesige Werbung übernommen, in den Social-Media-Kanälen praktizieren es die meisten deutschsprachigen Anbieter und User. Nun überlegen auch die Unternehmen hierzulande, ihre Kunden zu duzen. Ist das sinnvoll? Und welche Anrede ist für Energiekunden angebracht?

Bei uns kam die Frage auf, als unser Kunde – die Stadtwerke Gronau – eine neue Website in Auftrag gab und im Zuge des Briefings darum bat, die Privatkundenansprache auf das „Du“ umzustellen. Und das ist umso spannender, weil die Gronauer bei den Geschäftskunden weiterhin beim „Sie“ bleiben.

Klar, e-wie-einfach hatte sich – als Unternehmen mit Anspruch auf die Innovationsführerschaft – dieser Anrede bereits bedient, für ein kommunales Stadtwerk war uns dieser Wunsch neu. Nicht einmal Gelsenwasser, sonst auch sehr mutig in der Umsetzung neuer Entwicklungen, hatte im Zuge der von uns realisierten Markeneinführung von erenja im Jahr 2019 dieses Thema mit auf der Agenda.

Höflichkeit oder Bildung des Markenprofils?

Kunden- und Nutzeransprache ist natürlich abhängig vom Kommunikationskanal und wie das Unternehmen oder die Marke wahrgenommen werden will. Das „Sie“ steht für Höflichkeit, im geschäftlichen Rahmen auch für Professionalität und eine angemessene Distanz zwischen Auftraggeber und Dienstleister oder Lieferant. Und natürlich kennen alle Business-Leute die Gepflogenheit, heute eher als früher, bei einer vertraulichen und respektierten Zusammenarbeit auch im Geschäftsleben auf das „Du“ zu wechseln. Allerdings auch immer mit dem Hintergedanken, dass Kritik auf der „Sie-Ebene“ manchmal leichter zu formulieren ist, als bei einer persönlicheren Ansprache.

Kommen wir zurück auf die Energieversorgung, so vermittelt das „Du“ sicherlich auch eine größere Kundennähe. Und wenn man seine Kunden kennt, dann weiß man auch, wie man sie erreichen kann. Sylvia Rasokat-Poll, Marketingleiterin bei den Stadtwerken in Gronau bestätigt diese These: “Wir verstehen uns als mutiges und innovativ ausgerichtetes Stadtwerk mit großer Kundennähe, deshalb und sicherlich auch auf Grund der Nähe zu den Niederlanden, war der Schritt zum „Du“ in der Privatkundenansprache für uns gar nicht so groß.“

Wichtiger Aspekt ist die konkrete Ansprache in den verschiedenen Kanälen. Instagram geht den konsequenten Weg des „Du“, andere Kanäle sind da noch nicht so entschlossen. Klar ist: Die Kommunikation mit den diversen Zielgruppen läuft für Unternehmen und Marken über diverse Kanäle hinweg. Da gilt es, sich den Gepflogenheiten anzupassen. Und gerade heute spielt die Individualität in der Kundenerreichung eine wesentliche Rolle und kann auf Grund von professionellen IT-Lösungen (z. B. für E-Mailings) auch relativ leicht eingehalten werden.

Die Zukunft der Individualkommunikation

Eine zu große Abweichung von der bisherigen Situation ist jedoch auch nicht erwünscht. Eine Studie aus dem Hause Appinio zum Thema „Markenkommunikation: Duzen und Siezen auf Social Media, Website & Offline“ kommt zu dem Ergebnis, dass die Kundenansprache auf den Websites auch vom Empfinden des Markenprofils abhängt. Im Schnitt sprechen sich rund 31 Prozent der Nutzer ausschließlich für das „Du“ auf der Website einer Marke aus, „wenn es zur Marke passt“. Nur rund 24 Prozent finden das „Du“ generell sympathisch. Da trägt das Wissen der Unternehmensverantwortlichen über ihre Kunden sehr zur richtigen Ansprache bei.

Eine gut ausbalancierte Ansprache der Kunden zu realisieren, ist und bleibt ein Fortschreiten auf einem schmalen Grat. Auf der einen Seite soll der Kunde optimal erreicht werden, auf der anderen Seite darf die Marke und das Profil des Unternehmens nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Kein einfaches Unterfangen für Marketer und Führungsverantwortliche in den kommunalen Versorgern, aber eine inhaltliche anregende Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Veränderungen in der aktuellen Zeit.

(OP)

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