Die EnWG-Novelle 2021 bringt umfangreiche Veränderungen für kommunale Versorgungsunternehmungen mit sich. Nach dem Kündigungsbutton und der Vertragsthematik in der letzten Ausgabe gehen wir heute auf das außerordentliche Wahlrecht der Versorger ein, Kunden bei einem Umzug und einer daraus resultierenden Kündigung ein.

Im Falle eines Umzugs wird dem Haushaltskunden laut Novelle ein außerordentliches Kündigungsrecht eingeräumt, das er mit einer Frist von sechs Wochen auf den Zeitpunkt des Umzugs ausüben darf. Der Versorger erhält zugleich das Wahlrecht, im Zeitraum von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung, die Weiterführung des gekündigten Vertrags zu gleichen Bedingungen am neuen Wohnsitz zu erklären, wenn dort nicht bereits die Belieferung über einen anderen Lieferanten vereinbart wurde.

Dazu führen die beiden Rechtsanwältinnen Janka Schwaibold, Partnerin und Victoria Boss, Counsel, von Schalast Rechtsanwälte, eine Versorger beratende Kanzlei in Hamburg in Versorgungswirtschaft-online aus: „Was als interessenausgleichendes Instrument gedacht war, birgt rechtsdogmatisch einige Auslegungsschwierigkeiten: Die Kündigung als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung ist ein Gestaltungsrecht, das zur Wirksamkeit keiner Bestätigung oder Annahme bedarf. Besteht ein Kündigungsrecht und wird die Kündigung formgerecht innerhalb der Kündigungsfrist erklärt, beendet sie den geschlossenen Vertrag. Hier soll indes der Vertrag an der neuen Entnahmestelle fortgeführt werden. Daher ist wohl davon auszugehen, dass dem Kunden kein »echtes Kündigungsrecht« eingeräumt werden sollte. Vielmehr darf und muss der Lieferant über die Fortsetzung des Vertrages bei geänderter Vertragslage entscheiden. Diese Entscheidung kann grundsätzlich für alle Lieferverträge im Vorwege oder kundenindividuell im Einzelfall getroffen werden. Die bisherige Vorgehensweise sollte daher überprüft und ggf. angepasst werden.“  (Quelle: http://s.energieverdichter.de/enwgnovellekommentar)

Hier stellt sich für versorgerorientierte Betrachtende die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer solchen Möglichkeit. Kennt der Gesetzgeber die mit einem solchen Prozedere verbundenen Personal- und Werbekosten? Hat der Gesetzgeber einen annähernden Einblick in die Margen von Versorgern? Die mit einem solchen Vorgang verbundenen Prüf-, Kalkulations- und Kommunikationsvorgänge sind sicherlich mit einem Aufwand verbunden, der betriebswirtschaftlich genau überprüft sein will. Ob es dann Sinn macht, vor diesem gesetzlich neu zugelassenen Hintergrund auf eine Einhaltung des bestehenden Liefervertrags durch den Versorger zu bestehen, wird jedes Unternehmen sicherlich sehr genau überlegen.

Viele Detailthemen

Eine weitere Änderung bei den Vertragsabschlüssen betrifft das Recht jedes Kunden, die Form der Abrechnung (Papier oder online) zu wählen. Bei der elektronischen Abrechnung ist der Versorger bei Abschlüssen ab dem 01. Juli 2022 verpflichtet, den Kunden mindestens alle sechs Monate oder auf Kundenwunsch sogar alle drei Monate eine Abrechnungsinformation zu übermitteln. Auch diese Änderung muss beim zukünftigen Vertragsabschluss im Internet berücksichtigt und bei der Programmierung vorgesehen werden.

Auch auf die vertragliche Gestaltung der Tarife könnte die Gesetzesnovelle Einfluss nehmen, denn bisher sah das EnWG nur für Haushaltskunden hohe Informations- und Schutzstandards vor. Nach der Novellierung gelten diese Bedingungen nun auch für Gewerbekunden über 10.000kWh Jahresverbrauch. Da stellt sich die Frage, ob die Aufteilung in Privat- und Gewerbekunden auf der bisherigen Grundlage beibehalten wird oder es zu Anpassungen kommen sollte. Eine sicherlich nicht leichte Frage.

Weitere hier zwar nicht behandelte aber dennoch nicht unwichtige Stichpunkte aus der EnWG-Novelle 2021 sind: Änderungen bei den Abrechnungszeitpunkten und daraus resultierende Fälligkeiten, Neuregelungen bei den Sperrprozessen oder auch die eher mittel- und langfristigen Auswirkungen hinsichtlich einer Neuordnung der Kunden auf Grund des jeweiligen Vertragsabschlusszeitpunktes: Auf der einen Seite diejenigen Bestandskunden mit Altverträgen im bisherigen Verlängerungsmuster und andererseits Neukunden mit kurzen Laufzeiten – oder vielleicht auch daraus resultierenden spürbaren Preisunterschieden zu den Altverträgen.

Bewegte und bewegende Zeiten in der Energiewirtschaft.

(MW)

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