Was nehmen wir mit aus der Pandemie? Und ändern wir längerfristig unser Verhalten? Das sind Fragen, die derzeit oft diskutiert werden. Als erstes lässt der Bereich Mobilität aufhorchen. Das Aufkommen hat deutlich zugenommen, und vieles scheint wieder in gewohnten Bahnen abzulaufen. Dennoch führt mittelfristig kein Weg an der Energiewende vorbei, wenn unser Planet lebenswert bleiben soll.  Dabei ist unbestritten, dass Strom auf dem Weg hin zu Nachhaltigkeit und Klimaneutralität eine zentrale Rolle spielen wird – vorausgesetzt, er wird regenerativ erzeugt. Stichworte sind hier Elektromobilität, Wärmepumpe oder intelligente Steuerungen und Prozesse. Das heißt aber auch, dass der Bedarf an Strom aus Sonne, Wind und Wasser steigen wird, umso mehr, je stärker der Einsatz von Kohle und Öl zurückgeht. Forciert wird diese Entwicklung durch die aktuelle Novelle des Klimaschutzgesetzes. Sie sieht vor, die Treibhausgasneutralität in Deutschland schon 2045 zu erreichen, also fünf Jahre früher als vorgesehen. Zugleich wurde das Zwischenziel von 55 Prozent im Jahr 2030 auf 65 Prozent erhöht. Ohne einen massiven Ausbau der „Erneuerbaren“ geht das nicht.

In diesem Zusammenhang nannte unlängst Kerstin Andrae, Vorsitzende des BDEW, konkrete Zahlen. Bis 2030 seien 100 Gigawatt Windenergie-Leistung an Land und eine Photovoltaik-Leistung von 150 Gigawatt notwendig. Prima, möchte man rufen, wir haben bereits eine Erzeugungskapazität von rund 116 Gigawatt (54 GW Sonne, 63 GW Wind), dann bauen wir in  den nächsten zehn Jahren mal eben schnell 134 Gigawatt Erzeugungsleistung hinzu. Doch bei näherer Betrachtung wird klar, wie ambitioniert die Ziele sind. 250 Gigawatt Leistung (auf die Vertiefung zwischen gesicherter und ungesicherter Leistung verzichten wir an dieser Stelle einmal) entsprechen immerhin 250 Großkraftwerken, wie wir sie von der Kohle und der Kernenergie kennen.

Leistung ist gefragt

Zurück zur Windenergie. Gehen wir optimistisch davon aus, dass ein modernes Windrad eine Leistung von 10 Megawatt hat. Dann sind 100 neue Windräder nötig, um ein Gigawatt Leistung bereitzustellen. Bei 50 Gigawatt sind es 5.000 Windräder. Bereits heute gibt es in der Bundesrepublik knapp 30.000 Anlagen unterschiedlichster Leistungsklassen an Land. Ein weiterer Zubau  dürfte nicht ohne Probleme ablaufen. Zum einen sind wirklich gute Windstandorte bereits knapp, zum anderen ist ein steigender Widerstand in der Bevölkerung zu erwarten, wenn die Anlagen näher an die Wohngebiete rücken.

Und wie sieht es bei der Photovoltaik aus? Hier ist der Ausbaubedarf noch größer. 2020 hatten wir in Deutschland eine installierte Photovoltaik-Leistung von 53,8 Gigawatt. Es steht also fast eine Verdreifachung des Volumens in den nächsten zehn Jahren an. Möglichkeiten für neue innovative Konzepte und geeignete Hausdächer dürfte es geben. Es mangelt nicht an Akzeptanz und Standorten. Es kommt darauf an, über gezielte Fördermöglichkeiten wirtschaftliche Anreize zu schaffen. Grundsätzlich gilt: Die Investition muss sich für den Einzelnen lohnen.

Anspruchsvolle Ziele

Die genannten Zahlen sind nicht ganz neu. Bereits 2019 hatte der „energieverdichter“ über eine Studie des „ewi – Energy Research and Scenarios GmbH“ berichtet, wonach eine Vervierfachung der Erzeugungskapazität aus erneuerbaren Energien bis 2050 auf rund 400 Gigawatt notwendig sei, um den gesamten Strombedarf in den Bereichen Wärme, Mobilität und elektrische Anwendungen decken zu können. Mit 250 Gigawatt bis 2030 dürfte Deutschland im Plan liegen.

Fakt ist: Die Ziele sind sehr anspruchsvoll, aber sie bieten auch Chancen. Nicht nur für die Umwelt sondern genauso für die Wirtschaft. Wenn Deutschland entsprechendes Know-how aufbauen kann, ist das die beste Voraussetzung, um modernste Technologie weltweit zu exportieren. Bei der Umsetzung auf nationaler Ebene wird es vor allem darauf ankommen, die Bevölkerung über attraktive Förderprogramme und eine professionelle Kommunikation zu gewinnen.

(GL)

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