Der Mensch ist leidensfähig und gewöhnt sich an vieles. Mittlerweile sprechen wir von „günstig“, wenn wir einen Liter Superbenzin für 1,75 Euro bekommen. Ein Preis, der nicht von Dauer ist. Für den Zeitraum von Juni bis Ende August wurde in Deutschland die Energiesteuer auf das europarechtliche Mindestmaß gesenkt. Dementsprechend verbilligen sich Benzin um knapp 30 Cent und Diesel um gut 14 Cent. Je nach Rohölpreisentwicklung sowie weiterer Faktoren wie Nachfrage, Konjunkturentwicklung oder Raffinerieauslastung dürften wir danach wieder auf das alte Niveau von 2 Euro plus/minus x pro Liter zurückkommen.

Doch in welcher Relation stehen die Produktpreise zur Rohölpreisentwicklung? Ein Blick in die Historie ist hilfreich. Anfang März dieses Jahres erreichte die Sorte Brent ihr Allzeithoch von 139,13 Dollar pro Barrel. Getrieben durch den Ukraine-Krieg, hielt sich dieses Niveau aber nur für wenige Tage. Danach pendelte sich der Preis auf einem Richtwert zwischen 95 und 110 Dollar pro Barrel ein. Zum Vergleich: Der vorherige historische Höchstwert wurde im März 2012 erreicht. Über mehrere Monate bewegte sich die Preisspanne zwischen 120 und 128 Dollar. Es trifft also durchaus zu, dass die Rohölpreise vor zehn Jahren auf einen ähnlich hohen – zum Teil sogar höheren – Niveau lagen als heute. Und wie sieht es bei den Kraftstoffpreisen aus? Im Jahr 2012 kostete der Liter Diesel im Jahresdurchschnitt 1,478 Euro; für den Liter Super E10 mussten 1,598 Euro bezahlt werden. Ende Juni 2022 lag der Dieselpreis dann bei durchschnittlich 1,95 Euro/Liter – dank Steuervergünstigung. Ohne wären es knapp 2,10 Euro. Bleiben wir beim Diesel. Bei in etwa vergleichbaren Rohölpreisen kostet der Liter heute gut 60 Cent mehr als vor 10 Jahren. Ein Plus von rund 40 Prozent, das auch nicht mit der (bis 2021 recht niedrigen) Inflationsrate zu erklären ist.

Unsicherheit und Volatilität

Ähnlich sieht es beim Heizöl aus. Hier kostet der Liter aktuell 1,54 Euro. Im März 2012 waren es 77 Cent. Ziemlich genau eine Verdopplung. Und ein weiterer Anstieg scheint derzeit nicht ganz unwahrscheinlich. Aufgrund von Niedrigwasser in den Flüssen erhöhen sich die Transportkosten. Chinas Wirtschaft läuft im Moment schleppend. Wenn die Konjunktur hier wieder anspringt, wird die Nachfrage nach Energie steigen. Darüber hinaus ist bei einer Gasknappheit mit stark steigenden Preisen in Europa zu befürchten, dass Privathaushalte wie auch Gewerbe und Industrie auf Heizöl umsteigen, wo immer es geht. Das wiederum treibt die Preise zusätzlich in die Höhe.

All diese Faktoren sorgen für Unsicherheit und Volatilität im Markt. Der Handel kauft und kalkuliert Kraftstoffe wie Heizöl zu Wiederbeschaffungspreisen. Inwieweit Risiken bei seit einigen Monaten weitgehend gleichen Rohölnotierungen adäquat eingepreist sind, ist nur schwer einzuschätzen. Zweifel scheinen durchaus unangebracht. Daher ist es umso wichtiger, dass Kontrollinstanzen wie das Bundeskartellamt weiterhin wachsam bleiben.

(GL)

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