Es ist mal wieder soweit. Die Marketing-Homeofficer der Energieversorger haben ein neues Thema  für den brancheninternen Chatkanal: Seit dem 30. April gibt es ein neues, attraktives Angebot für die junge, urbane Zielgruppe vom Stromanbieter „e wie einfach“. Wer ab diesem Datum einen neuen Stromvertrag abschließt, kann 12 Monate lang gratis das Angebot von Netflix nutzen. Mehr dazu siehe hier.

Ja das ist doch mal ein richtig toller Coup, werden viele sagen. Kommt ja auch von Jung von Matt, der Hamburger Ideenschmiede mit den großartig kreativen Werbekoryphäen. Genauso wie die herausragende Idee für den gleichen Kundenkreis in Zeiten wohnungsgebundener Isolation einen Design-Vibrator mit dem passenden Namen „Power of Love“ in Verbindung mit einem Stromvertrag anzubieten.

Ganz neu ist das nicht. Netflix (und auch andere, mehr oder minder energieproduktnahe „Beigaben“) wurden bereits in der Vergangenheit zu dem ein oder anderen Stromvertrag dazu gepackt. Jung von Matt gewinnt mit der Idee also keine Kreativpreise.

Hinzu kommt: Für die Kunden ist das Strom-Netflix-Bundle bei genauerem Blick kein höchst lukrativer Deal: Am Beispiel des Energieverdichter-Sitzes (PLZ 50937 / 4.000 kw/h p.a.) kostet das e-wie-einfach-Angebot 1.124 € pro Jahr. Alternativ könnte man den Tarif eines Wettbewerbers wählen (z.B. „Grünwelt premium“, „Entega Ökostrom“ oder sogar den E.On eigenen „Strom Öko“) und würde bei zusätzlicher separater Buchung von Netflix insgesamt pro Jahr ca. 1.112 € zahlen.

Da fragen sich viele, warum machen die das?

Die machen das, weil man damit ins Gespräch kommt (siehe die vielen Artikel auf allen Kanälen, wie auch diesen hier), cross-medial agieren kann und natürlich auch (welch eine passender Begriff in diesen Zeiten) den viralen Effekt nutzen will. Und wenn man nur genug Werbebudget in die Hand nimmt, kann man auch „groß trommeln“. Die Frage bleibt hierbei: Setzt man Budget in Relation zu den gewonnenen Neukunden: Was bleibt unter dem Strich über?

Sicher ist auch ein wichtiger Aspekt, dass die neu aufgestellte E.ON als mittlerweile größter Stromverkäufer Deutschlands seine Marktmacht nutzen und ausbauen möchte. Da helfen dann solche platten eingängigen Themen wie Netflix. Und Geld für die Buchung von Werbekanälen sollte auch genug auf dem Festgeldkonto liegen.

Wir hätten uns gefreut, wenn ein Unternehmen dieser Größenordnung mal ein wirklich neues, kreatives Produkt (Tarif/Bundle) an den Markt bringt. Welches Kunden klare energiebranchennahe Mehrwerte an die Hand gibt. Und für langfristige Bindung sorgt.

Nun fragen sich wieder viele MarketingstrategInnen auf der in den letzten Wochen arg strapazierten Daseinsvorsorge-Stadtwerke-Seite, warum sie solche (oder sogar bessere) Ideen, die zweifellos auch ihre beratenden Agenturpartner im Portfolio haben, nicht in den Vorstands- und Geschäftsführungsräumen des eigenen Unternehmens platzieren können.

Wir stellen an dieser Stelle mal eine steile These zur Diskussion: „Ihr habt euch und euren Verantwortlichen in der Vergangenheit zu wenig zugetraut – die aktuelle Zwangsdigitalisierung der Versorger macht es deutlich“. Denn wenn es nötig ist, zeigt sich doch, was alles gehen kann und auch tatsächlich funktioniert. Siehe Heimarbeit in Corona-Zeiten.

Also – den Zeitgeist nutzen, neue Chance kreieren, mit dem gerade in Krisenzeiten nachgewiesenen und neu gewonnenen Selbstvertrauen in die eigene Unternehmensproduktivität und Leistungsfähigkeit an den Markt treten und lauter werden als bisher. Viel lauter! Selbstverständlich immer mit Blick auf die eigene Positionierung und die strategisch avisierten Ziele und Zielgruppen.

Doch eines sei an dieser Stelle auch gesagt und unterstrichen: Eine Marke entwickelt sich nicht umsonst. Es kostet Initiative, Arbeit, Kraft und ja, auch Geld. Alles jedoch mit vernünftigem Maß und einer zum Unternehmen passenden Strategie investiert, zieht es nach der Pflanzung im Frühjahr im Herbst auch Früchte, die geerntet werden können. Und genau deshalb machen es die privatwirtschaftlichen Energieanbieter auch in der oben vorgestellten und nicht in einer anderen Form.

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