Viele gute Best-Practise-Beispiele konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Handelsblatt Stadtwerkekongress 2022 im Zeichen der Sorge um eine stabile und verlässliche Versorgung der Verbrauchenden und der Industrieunternehmen stand.

Wenn auch Peter Graichen, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, zum Abschluss des Beitrags seine Zuversicht zum schnellen Bau der schwimmenden LNG-Terminals an der deutschen Küste unterstrich: Es bleibt bei dieser Veranstaltung eine spürbare Besorgnis der Branche im Hinblick auf die Füllstände der deutschen und westeuropäischen Gasspeicher sowie die Verlässlichkeit zur Gaslieferung von Seiten der russischen Lieferanten zurück.

Dies wurde besonders in den Ausführungen von Dr. Michael Arnold, Geschäftsführer der Stadtwerke Duisburg Energiehandel GmbH sowie Mathias Pechmann, dem Head of Commodity Flow Desk bei RWE Supply and Trading, deutlich. So sieht Michael Arnold das Preisniveau auf einem noch nie dagewesenen Niveau, dennoch sei „diese Entwicklung aus unserer Sicht der am wenigsten besorgniserregende Teil der jüngsten Entwicklungen im Energiehandel“. Bedrohlicher sind in seinen Augen die massiv gestiegenen Volatilitäten und Marktrisiken sowie das Kontrahenten- und Liquiditätsrisiko. Hinzu käme, dass auch die kurzfristigen Bewegungen beim Einkauf von bis zu 50 €/MWh hohe Anforderungen an den Handel der Versorgungsunternehmen stellen.

Portfoliomanagmeent wird wichtiger

Mathias Pechmann sieht „eine dauerhafte Änderung der Marktsituation auf der Anbieter- und der Nachfrageseite“. Im Ergebnis bedeute dies eine Anpassung des Governance-Rahmens und des Spotanteils sowie eine damit einhergehende Neuausrichtung bei der Einkaufsplanung der Versorger. Für ihn führe die aktuelle Marktsituation zu der Erkenntnis, dass „sich die Beschaffungsstrategie nicht mehr nach der Profit-, sondern nach der Risikooptimierung richtet“. Ob allerdings jedes Stadtwerk diese Herausforderungen bei der Beschaffung individuell eingehen will, muss in den Führungsetagen kalkuliert werden. Auf jeden Fall tritt der Bereich Portfoliomanagement, Handel und Beschaffung bei den kommunalen Versorgern momentan sehr viel stärker in den Blickwinkel der Betrachtenden, als dies in der Vergangenheit der Fall war.

Den Schatten der Sorge konnte auch Prof. Timo Leukefeld, Geschäftsführer der Timo Leukefeld GmbH, mit einem wie so oft erfrischenden und diskussionsfördernden Beitrag zu neuen Geschäftsmodellen in der Zusammenarbeit der Energieversorgung mit der Wohnungswirtschaft nicht beiseite räumen. Genauso wie bei den Vorträgen zu erfolgreichen Beispielen der Stadtwerke-Arbeit, fand auch dieses Thema vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise weniger Beachtung, als es verdient hätte.

Ein Randaspekt: Für unvoreingenommene Betrachtende stellte sich bei einem Kamerablick durch den Veranstaltungsraum die Frage, ob vor Ort mehr Teilnehmende als die Referierenden waren. Das Hybridevent ist sicherlich die Veranstaltungsform der nahen Zukunft. Die Branchenvertretenden an den Bildschirmen sollten sich jedoch fragen, wieviel Hintergrundinformationen sie durch die fehlende persönliche Anwesenheit auf einer solchen Veranstaltung einbüßen. Ich stelle jedenfalls fest, dass auch ein Chatraum die vielen Austausche im Umfeld eines solchen Treffens nicht ersetzen können. Dabeisein ist einfach alles.

(MW)

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