Die aktuelle Diskussion um gestiegene Gaspreise war ein passender Einstieg in die Handelsblatt Jahrestagung Gas 2021, die am 22. und 23. September Corona-bedingt digital stattfand. So wies Andreas Kuhlmann, Geschäftsführer der dena (Deutsche Energie-Agentur), darauf hin, dass niemand die derzeitige Preisentwicklung so richtig habe vorhersehen können. Nicht die Rolle Russlands sei entscheidend gewesen, sondern vielmehr der Markt mit seinem Zusammenspiel aus Angebot und Nachfrage. Eine Aussage, die auch Stefan Rolle vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) unterstrich.

Speicherstände seien zu niedrig, einzelne Wartungsarbeiten dauerten länger als erwartet, und die Nachfrage sei nach einem Abschwächen der Corona-Pandemie wieder stärker angezogen. Außerdem, so Ludwig Möhring, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Erdgas, Erdöl und Geoenergie, werde Gas aufgrund des starken Bedarfs zunehmend nach Asien geliefert. Der Gasmarkt habe sich aktuell vom Käufer- zum Verkäufermarkt entwickelt, so sein Fazit. Allerdings gebe es keinen Grund, eine Engpasssituation für die deutsche Gasversorgung zu sehen.

Zukunftsaussichten Gas

Ein weiteres zentrales Thema war – wie sollte es auf einem Gas-Kongress auch anders sein – die Zukunft des Energieträgers und seine Rolle bei der Energiewende. Tatiana Marquez von der EU gab mit Blick auf die Klimaziele vor, so viel wie möglich zu elektrifizieren. Die Basis sollten dabei Erneuerbare Energien bilden. Allerdings reichten diese alleine nicht für die vollständige Erzeugung eines stark steigenden Strombedarfs aus. Die Lücken sollen blauer und grüner Wasserstoff füllen. Auch komme Erdgas als Übergangstechnologie eine wichtige Rolle zu – insbesondere im Wärmemarkt.

Dass klassisches Erdgas noch eine längere Zukunft habe, machte auch Timm Kehler, Vorstand von Zukunft Gas, auf der digitalen Handelsblatt-Veranstaltung deutlich. Er verwies darauf, dass Erdgas heute der wichtigste Energieträger in der Industrie ist und erhebliches CO2-Einsparpotenzial besitze. Laut seinen Ausführungen ließen sich in der Stahlproduktion und in der Stromerzeugung durch einen Switch von Kohle zu Gas 50 Prozent beziehungsweise 65 Prozent der schädlichen Klimagase einsparen. Der neuen Bundesregierung empfahl Kehler, Anreize für den Ausbau moderner Gaskraftwerke zu schaffen, damit Gas als Back-up-Lösung bei Wind- und Sonnenflauten eingesetzt werden kann. Gas sei eine bezahlbare und sichere Option bei einer erfolgreichen Energiewende.

Zukunftsaussichten Wasserstoff

Wie andere Referenten betonte auch Kehler die künftige Bedeutung von Wasserstoff. Die Einsatzmöglichkeiten seien vielfältig: Sie reichten von der Stromerzeugung über den Wärmemarkt bis zur Mobilität. Auch sei die Infrastruktur „ready for hydrogen“, die Branche brauche jetztallerdings einen verlässlichen Rechtsrahmen, um mit entsprechenden Investitionen eine umfangreiche Produktion aufzubauen. In diesem Zusammenhang sprach Thomas Hüwener, Technischer Geschäftsführer Open Grid europe GmbH, von einer Gas-Spitzenlast von bis zu 230 Gigawatt. Zum Vergleich: Derzeit liegt die Spitzenlast in Deutschland bei rund 80 Gigawatt. Es liegen also große Herausforderungen, aber auch große Chancen vor dem Energieträger Gas – ganz gleich ob als blauer oder grüner Wasserstoff.

(GL)

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