In Deutschland wächst die Zahl der Elektrofahrzeuge nun auch in privaten Haushalten. Der große Durchbruch wird prognostiziert, steht aber, oft auch auf Grund der erwarteten (oder auch herbeigeredeten?) Ladeprobleme bei Fahrzeugbesitzenden in Mehrfamilienhäusern, aktuell noch aus. Wie schwer dieses Argument wiegt, hat NetzeBW in einem Feldversuch überprüft und kam nun zu überraschenden Ergebnissen. Das Fazit vorneweg: Es klappt viel besser als erwartet.

Test mit 58 Fahrzeugen in einer Tiefgarage

Die Fragestellung lautet immer wieder: Wie können z. B. Tiefgaragen in Quartieren mit vielen Wohnungen mit einer Ladeinfrastruktur optimal nachgerüstet werden? Und wird das Stromnetz den zusätzlichen Belastungen standhalten?

Ergänzend zu theoretischen Modellen spielte die NetzeBW dies in der Realität, in einem so genannten NETZlabor, durch. In einem 16-monatigen Feldtest, dem E-Mobility-Carré in Tamm bei Ludwigsburg, wurde untersucht, ob die bisherige Anschlussleistung auch für nachträglich in der Tiefgarage installierte Ladestationen noch ausreichen würde. Beziehungsweise ob und wie man ohne zusätzliche Netzverstärkungsmaßnahmen mit dem bestehenden Hausanschluss von 124kW maximaler Leistung auskommen würde – und zwar ohne Komforteinbuße für die Bewohner*innen, die sich mit großer Offenheit an dem Testversuch beteiligten.

Elektromobilität braucht ein leistungsfähiges Stromnetz

Für ihr NETZlabor in Tamm hatte die NetzeBW die Tiefgarage der Wohnanlage mit 58 Ladepunkten ausgestattet und den Teilnehmenden insgesamt 45 E-Autos für den täglichen Gebrauch zur Verfügung gestellt. Ob Familien mit Kindern, Paare oder Rentner, ob Gelegenheits- oder Vielfahrer – sie alle hatten ihren Benziner oder Diesel zeitweise „eingemottet“ und waren von heute auf morgen elektrisch unterwegs. Mit wachsender Begeisterung. Im Schnitt brachte es jeder dieser Elektropioniere auf eine monatliche Fahrleistung von 1.100 Kilometer. Trotz Homeoffice und coronabedingten Einschränkungen ein beachtlicher Wert. Die Fahrzeuge für die weiteren 13 Ladestationen gehörten zum Beginn des Projekts bereits Bewohnern der Anlage. Die Projektfahrzeuge wurden inzwischen wieder abgeholt.

Lademanagement glättet Lastspitzen

In dem Projekt ging es im Schwerpunkt darum, wie sich der Hausanschluss von Mehrparteien-Wohnobjekten für den zusätzlichen Verbrauch durch Ladestationen optimieren lässt. Ein idealer Anschluss stellt ausreichend Leistung zur Verfügung, ohne überdimensioniert zu sein. Letzteres wäre allerdings der Fall, wenn man davon ausgehen würde, dass dort alle E-Autos zur selben Zeit geladen werden.

Im E-Mobility-Carré zeigte sich, dass nie mehr als 13 Ladevorgänge parallel stattfanden – bei insgesamt 58 zur Verfügung stehenden Ladepunkten. Die sich auf das Netz belastend auswirkende „Gleichzeitigkeit“ betrug .00 lediglich 22 Prozent. Die maximale verfügbare Leistung von 124 kW im E-Mobility-Carré wurde nicht ein einziges Mal vollständig abgerufen. Damit lag der Wert noch deutlich unter den bei einem ähnlichen Feldtest in Ostfildern gemessenen 50 Prozent. Fast während der Hälfte der Zeit wurde gar kein Auto geladen.

Die Auswertung des Tests ergab auch: In den 16 Monaten betrug die maximale Leistungsspitze knapp 98 kW. Während 884 Minuten (14,7 Stunden) wurden mehr als 80 kW abgerufen, während 91 Minuten mehr als 90 kW. Die Leistungsspitzen mit mehr als 80 kW Bezug lagen abends zwischen 18 und 20:30 Uhr, mehr als 90 kW wurden zwischen 18 und 19:30 Uhr erreicht. Durchschnittlich luden die 58 Autos zusammen 241,4 kWh pro Tag. Durchschnittlich luden weniger als fünf Fahrzeuge gleichzeitig.

Insgesamt widerlegt dieser Langzeittest: Die örtlichen Stromnetze kommen durch die Ladeinfrastruktur in Mehrfamilienhäusern nicht so schnell wie bisher oft erwartet an ihre Grenzen, wenn ein intelligentes Lademanagement steuernd eingreift. Und die Bewohner empfinden dieses scheinbar so wichtige Manko im konkreten Versuch nur zu knapp sieben Prozent als störend. Mehr als 93 Prozent fühlten sich in Ihrem Nutzungskomfort nicht eingeschränkt. Darüber hinaus eröffnet das intelligente Lademanagement den Netzbetreibern mehr Zeit, um eine nachhaltige Netzverstärkung sinnvoll und effizient zu entwickeln und zu bauen.

Denn wir wollen ehrlich sein: Nur die wenigsten Hausanschlüsse werden eine Reserve von 124 kW ausweisen, die komplett für E-Fahrzeuge bereitgestellt werden kann. Aber die Testergebnisse zeigen auch: Selbst bei einer Reserve von 50 kW lässt sich die tägliche Strommenge im Durchschnitt innerhalb von fünf Stunden laden. Unter der Annahme, dass die Autos komplett zwischen 18:00 und 6:00 Uhr nachgeladen werden, würden sogar 20 kW reichen. Das ist überraschend wenig.

Quelle: www.netze-bw.de/e-mobility-carre

(MF)

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