Was waren das für Zeiten, als die Gasversorgung in Deutschland ihren Siegeszug startete. Ein neuer Energieträger kam auf den Markt und brachte viele Produktvorteile mit sich: emissionsärmer, flexibel einsetzbar sowie platzsparend. Und vor allem: er war in großen Mengen zu einem kalkulierbaren Preis verfügbar. Durch die Ölpreisbindung konnten gewerbliche wie private Investoren sicher sein, dass sie nicht mehr als für das „schwarze Gold“ bezahlen mussten. Bezugsquellen gab es auch genug. Eine breite Diversifizierung sorgte für Versorgungssicherheit. Erdgas kam aus den Niederlanden, der britischen und norwegischen Nordsee, aus Russland sowie aus Deutschland selbst. Dank dieser Eckdaten wurde Erdgas immer beliebter und zu einer festen Größe im deutschen Energiemix.

Daran änderten auch Krisenzeiten wie der „kalte Krieg“ nichts. Erdgas aus Russland, damals noch UdSSR, floss zuverlässig und störungsfrei. Voller Stolz und Überzeugung wurden damals die Verantwortlichen des Quasi-Monopolisten Ruhrgas nicht müde, dies zu betonen. Und die Entwicklung gab ihnen Recht. Die Leitungen aus dem Osten wurden ausgebaut. Langfristige Verträge mit bis zu über 30 Jahren Laufzeit waren ein solides Fundament für eine Win-Win-Situation. Später kam dann noch die in Kassel ansässige Wingas hinzu, die weitere Erdgasmengen über teils eigene Pipelines nach Deutschland importierte.

Zu frühes Vertrauen?

Doch Ende des letzten Jahrhunderts begann sich die Situation zunehmend zu verändern. Großbritannien wurde vom Ex- zum Importeur, die niederländischen wie die deutschen Quellen lieferten deutlich weniger. Umgekehrt nahm die Bedeutung Russlands zu. Ruhrgas, die später von E.ON? übernommen wurde, schloss weitere langfristige und großvolumige Lieferverträge mit Moskau ab. Damit sollte die künftige Versorgung mit dem Energieträger Erdgas für Deutschland gesichert sein. Garanten waren die guten Erfahrungen, gewachsenes Vertrauen und die stets zuverlässig eingehaltenen Lieferverpflichtungen.

Erst mit Putin sollte sich die Situation ändern. Schon der Krieg 2014 in der Ostukraine hätte aufhorchen lassen müssen. Und Nord Stream 2? Hätten Wirtschaft und Politik nicht auch andere Lösungen favorisieren können? Nun ja, hinterher ist man bekanntlich immer schlauer.

Wer hat gewarnt?

Jetzt den Finger zu heben, ist nicht fair. Die Allermeisten haben lange Zeit kein Bedrohungspotenzial gesehen. Erst in der aktuellen Situation wird deutlich, dass der russische Präsident keine Skrupel hat und entgegen aller bisherigen Erfahrungen Erdgas als Waffe einsetzt, um den Westen zu destabilisieren. Dabei ist sein Handeln nicht ganz neu. Schon in den 90er Jahren nach dem Zerfall der Sowjetunion nutze Putin seine Funktion als stellvertretender Bürgermeister von St. Peterburg, um kräftig im neu aufkommenden Ölgeschäft mitzumischen. Unter anderem beschaffte er laut der renommierten Investigativ-Journalistin Catherine Belton, von 2007 bis 2013 Auslandskorrespondentin der Financial Times in Moskau, durch die sogenannten Öl-gegen-Lebensmittelgeschäfte Gelder für die schwarzen Kassen des KGB.

Spätestens da dürfte Putin erkannt haben, welche Möglichkeiten der Zugriff auf riesige Öl- und Gasmengen bietet. Nicht verwunderlich, dass er jetzt wieder darauf setzt. Bleibt nur die Erkenntnis, dass der eingeschlagene Weg hin zu regenerativen Energien und einer breiten Diversifizierung bei der Beschaffung (noch benötigter) fossiler Energien alternativlos ist. Da ist für alle Beteiligten noch sehr viel zu tun.

(GL)

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