Die Energie-Experten sind sich einig. Erdgas kann einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung von CO2-Emissionen leisten. Zumindest kurzfristig. Denn der Energieträger hat deutlich bessere Abgaswerte als Kohle und Öl. Langfristig muss jedoch grünes Erdgas, das mit Hilfe der „Power-to-Gas“-Technologie gewonnen wird, seine Rolle übernehmen. Kein leichtes Unterfangen, da die notwendigen Erzeugungskapazitäten noch aufgebaut werden müssen. Vom DVGW wurde kürzlich betont, dass es möglich sei, bis 2050 eine Kapazität von 40 Gigawatt aufzubauen. Das entspricht in etwa der Leistung von 40 großen Kohlekraftwerken und würde rund 40 Milliarden Euro kosten.

In diesem Zusammenhang wird derzeit öfters von „blauem Wasserstoff“ gesprochen. Anders als „grüner Wasserstoff“ kann er aus Erdgas gewonnen werden, wobei das freigesetzte CO2 eingefangen und unterirdisch gespeichert wird. CCS – ein Verfahren, das sich in Deutschland gegen den Willen der Bevölkerung bei Kraftwerken nicht durchsetzen ließ. Nach der Produktion – zum Beispiel in Norwegen – kann „blauer Wasserstoff“ entweder bei rund minus 160 Grad verflüssigt im Tankschiff oder als Beimischung in der Erdgaspipeline an seinen Zielort gelangen. Bezüglich des Pipelinetransport wird davon ausgegangen, dass künftig ein Anteil von bis zu 20 Prozent möglich sein könnte.

Blau oder Grün – das ist hier die Frage

Alles in allem ein interessanter Ansatz, der jedoch kontrovers diskutiert wird. Auf der einen Seite ein Beitrag zur CO2-Reduzierung, auf der anderen Seite die Frage nach der sicheren Endlagerung. Was ist „blauer Wasserstoff“ – Problemlöser oder eine Marketing-Mogelpackung? Die Befürworter möchten den „blauen Wasserstoff“ nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung zu „grünem Wasserstoff“ sehen. Sie gehen davon aus, dass in Zukunft alle verfügbaren Quellen benötigt werden, um einen wachsenden weltweiten Energiebedarf nachhaltig zu decken. Der „blaue Wasserstoff“ ließe sich zudem zu wettbewerbsfähigen Kosten produzieren, heißt es. Derzeit sei seine Herstellung günstiger als die aus erneuerbaren Energien. Gleichzeitig sei eine Infrastruktur verfügbar, wenn bestehende Gasleitungen umgestellt werden.

Die Kritiker führen ins Feld, dass das Abscheiden und Deponieren von CO2 (CCS) recht teuer sei. Es werde auch kaum möglich sein, die komplette Menge an CO2 zu deponieren. Außerdem sei zu bezweifeln, ob die Lagerstätten über Jahrhunderte hinweg dicht bleiben, und zusätzlich entstünden Methanemissionen bei der Förderung und dem Transport von „blauem Wasserstoff“.

Ein Fazit fällt nicht leicht. Fest steht jedoch, dass jeder CO2-freie oder CO2-arme Energieträger kurzfristig einen wichtigen Beitrag zum Gelingen der Energiewende leisten kann. Ob er sich im Markt durchsetzt, ist eine andere Frage. Zentrale Punkte sind Verfügbarkeit, Wirtschaftlichkeit und vor allem die Akzeptanz bei den Kunden. Insofern sehen wir „blauen Wasserstoff“ nicht als Marketing-Gag, sondern als zusätzliches Angebot – zumindest bis „grüner Wasserstoff“ im großen Maßstab verfügbar ist.

 

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